Stadt im Gedicht - Texte
Hier findest du eine Reihe von Texten zum Motiv Stadt | Siehe auch Liste
Paul Boldt:
Auf der Terrasse des Café Josty
Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll
Vergletschert alle hallenden Lawinen
Der Straßentrakte: Trams auf Eisenschienen,
Automobile und den Menschenmüll.
Wolfgang Borchert
Großstadt
Die Göttin Großstadt hat uns ausgespuckt
in dieses wüste Meer von Stein.
Wir haben ihren Atem eingeschluckt,
dann ließ sie uns allein.
Wolfgang Borchert
In Hamburg
In Hamburg ist die Nacht
nicht wie in andern Städten
die sanfte blaue Frau,
in Hamburg ist sie grau
Gerrit Engelcke
Stadt
Zehntausend starre Blöcke sind im Tal errichtet,
Aus: Stein auf Stein um Holz- und Eisenroste hochgeschichtet;
Und Block an Block zu einem Berg gedrückt,
Von Dampfrohr, Turm und Bahn noch überbrückt,
Karl Henckell
Berliner Abendbild
Wagen rollen in langen Reih'n,
magisch leuchtet der blaue Schein.
Bannt mich arabische Zaubermacht?
Tageshelle in dunkler Nacht!
Georg Heym
Berlin I
Beteerte Fässer rollten von den Schwellen
Der dunklen Speicher auf die hohen Kähne.
Die Schlepper zogen an. Des Rauches Mähne
Hing rußig nieder auf die öligen Wellen.
Georg Heym
Berlin VIII
Schornsteine stehn in großem Zwischenraum
Im Wintertag, und tragen seine Last,
Des schwarzen Himmels dunkelnden Palast.
Wie goldne Stufe brennt sein niedrer Saum.
Georg Heym
Der Gott der Stadt
Auf einem Häuserblock sitzt er breit.
Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.
Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit
Die letzten Häuser in das Land verirrn.
Georg Heym
Die Stadt
Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein
Zerreißet vor des Mondes Untergang.
Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang
Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.
Arno Holz
Berliner Frühling
Wohl haben sie dich alle schon besungen
und singen dich noch immer an , o Lenz,
doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen,
meld ich mich auch zur großen Konkurrenz.
Arno Holz
Ein Andres
Fünf wurmzernagte Stiegen geht's hinauf
Ins letzte Stockwerk einer Miethskaserne;
Hier hält der Nordwind sich am liebsten auf
Und durch das Dachwerk schaun des Himmels Sterne.
Heinz Kalau
Und allein
Zwischen Tieren sind wir jetzt schon Fremde.
Zwischen Gräsern, zwischen Bäumen auch.
Fremd ist uns der Erdgeruch der Moose.
Uns verwirrt der Wind. Des Regens Hauch.
Erich Kästner
Kleine Stadt am Sonntagmorgen
Das Wetter ist recht gut geraten.
Der Kirchturm träumt vom lieben Gott.
Die Stadt riecht ganz und gar nach Braten
und auch ein bißchen nach Kompott.
Erich Kästner
Vorstadtstraßen
Mit solchen Straßen bin ich gut bekannt.
Sie fangen an, als wären sie zu Ende.
Trinkt Magermilch! steht groß an einer Wand,
als ob sich das hier nicht von selbst verstände.
Alfred Lichtenstein
Die Nacht
Verträumte Polizisten watscheln bei Laternen.
Zerbrochne Bettler meckern, wenn sie Leute ahnen.
An manchen Ecken stottern starke Straßenbahnen,
Und sanfte Autodroschken fallen zu den Sternen.
Alfred Lichtenstein
Die Stadt
Ein weißer Vogel ist der große Himmel.
Hart unter ihn geduckt stiert eine Stadt.
Die Häuser sind halbtote alte Leute.
Griesgrämig glotzt ein dünner Droschkenschimmel.
Detlev von Liliencron
In einer großen Stadt
Es treibt vorüber mir im Meer der Stadt
Bald der, bald jener, einer nach dem andern.
Ein Blick ins Auge, und vorüber schon.
Der Orgeldreher dreht sein Lied.
Oskar Loerke
Blauer Abend in Berlin
Der Himmel fließt in steinernen Kanälen;
Denn zu Kanälen steilrecht ausgehauen
Sind alle Straßen, voll vom Himmelblauen;
Und Kuppel gleichen Bojen, Schlote Pfählen
Rainer Maria Rilke
Das ist dort, wo die letzten Hütten sind
Das ist dort, wo die letzten Hütten sind
und neue Häuser, die mit engen Brüsten
sich drängen aus den bangen Baugerüsten
und wissen wollen, wo das Feld beginnt.
Rainer Maria Rilke
Im alten Hause
Im alten Hause; vor mir frei
seh ich ganz Prag in weiter Runde;
tief unten geht die Dämmerstunde
mit lautlos leisem Schritt vorbei.
Joachim Ringelnatz
Berlin (An den Kanälen)
Auf den Bänken
An den Kanälen
Sitzen die Menschen,
Die sich verquälen.
Ernst Stadler
Dämmerung in der Stadt
Der Abend spricht mit lindem Schmeichelwort die Gassen
In Schlummer und der Süße alter Wiegenlieder,
Die Dämmerung hat breit mit hüllendem Gefieder
Ein Riesenvogel sich auf blaue Firste hingelassen.
Ernst Stadler
Kleine Stadt
Die vielen kleinen Gassen,
die die langgestreckte Hauptstraße überqueren,
Laufen alle ins Grüne.
Überall fängt Land an.
Friedrich Stoltze
Frankfort
Es is kaa Stadt uff der weite Welt,
die so merr wie mei Frankfort gefällt,
un es will merr net in mein Kopp enei,
wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!
Theodor Storm
Die Stadt
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
August Stramm
Freudenhaus
Lichte dirnen aus den Fenstern
die Seuche
spreitet an der Tür
und bietet Weiberstöhnen aus!
Friedrich Torberg
Großstadtlyrik
Fabriken stehen Schlot an Schlot,
vorm Hurenhaus das Licht ist rot.
Ein blinder Bettler starrt zur Höh,
ein kleines Kind hat Gonorrhoe.
Georg Trakl
Die schöne Stadt
Alte Plätze sonnig schweigen.
Tief in Blau und Gold versponnen
traumhaft hasten sanfte Nonnen
unter schwüler Buchen Schweigen.
Georg Trakl
Vorstadt im Föhn
Am Abend liegt die Statte öd und braun,
Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen.
Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen -
Und Spatzen flattern über Busch und Zaun
Kurt Tucholsky
Augen in der Großstadt
Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
Kurt Tucholsky
Nacht
Wenn aus den Löchern und aus den Kaschemmen
Gesichter steigen, die man niemals sah –
wenn Spezialisten ganze Schränke klemmen,
wenn aus dem Skatvereine kommt Papa –
Armin T. Wegner
Der Zug der Häuser
Die letzten Häuser recken sich grau empor,
In Massen geschart und in einzelne Gruppen,
Elende Hütten laufen davor,
Zerlumpte Kinder vor Heerestruppen.
Bruno Wille
Straße
An düster ragenden Häuserwällen,
Durch flammenbesäte steinerne Schlucht
Branden die rasselnden Wagen, die Menschen
Wie Wellen in klippiger Meeresbucht.
Alfred Wolfenstein
Städter
Nah wie die Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.