Alfred Wolfenstein

Städter

Nah wie die Löcher eines Siebes stehn

Fenster beieinander, drängend fassen

Häuser sich so dicht an, daß die Straßen

Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

 

Ineinander dicht hineingehakt

Sitzen in den Trams die zwei Fassaden

Leute, wo die Blicke eng ausladen

Und Begierde ineinander ragt.

 

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,

Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine,

Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle:

 

Und wie stumm in abgeschlossner Höhle

Unberührt und angeschaut

Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.

 

Alfred Wolfenstein (1888-1945) [1919)